„Ja, das kann ich auch …!“
Ein Interview mit Illustrator Timo Wuerz
Seit der Nr. 1 von DARK LAND heißt der Typ, der die großartigen Cover pinselt, Timo Wuerz. Höchste Zeit also, ihn euch vorzustellen. Die Fragen stellte Logan Dee.
Timo, wie kam es zur Mitarbeit an der Romanserie DARK LAND?
Nach unzähligen Covern für die ‚John Sinclair‘-Heftreihe und der durchgängigen Covergestaltung der ‚Sinclair Classics‘-Hörspiele wurde mir gesagt, dass eben eine neue Serie starten würde, und ich wurde gefragt, ob ich nicht Lust hätte, die ganzen Titelbilder zu malen. Ich finde es spannend, eine ganze Serie zu gestalten. So hat sie einen durchgängigen Stil, eine Corporate Identity, der Künstler kann ganz gut die Balance aus Action-Bildern, Portraits, Close-Ups oder Totalen auf den Umschlägen gestalten, damit diese hübsch stimmig und konzeptionell sinnvoll sind. Oder, was ich sehr mag, auch mal mehrere Cover zu einem Gesamtbild zusammenlegen. Natürlich sagte ich sofort und gerne zu.
Du hast bisher sämtliche Cover gestaltet, hast du selbst schon ein Heft gelesen?
Äh … *hüstel* … Ich muss gestehen, ich kenne nur die Inhaltsangaben oder potentiellen Coverbeschreibungen, die ich zum Malen benötige, obgleich ich natürlich immer Belegexemplare der fertigen Hefte bekomme …
Trotzdem wird DARK LAND durch dich erst so richtig „greifbar“, indem du eine gewisse düstere Atmosphäre durchziehst und auch immer weitere Charaktere visualisierst. Insofern ergänzen sich Inhalt und Bild perfekt. Hast du selbst dir für DARK LAND eine gewisse Grundstimmung vorher überlegt oder gehst du Titelbild für Titelbild spontan daran?
Ich habe ja auch vorher wenig Ahnung, wie sich die Charaktere oder die Geschichte weiterentwickeln. So hangle ich mich tatsächlich von Titelbild zu Titelbild. Allerdings ergeben die im Lauf der Serie schon einen Stil, eine Ästhetik, sodass auf den ersten Blick erkennbar ist, dass es sich um DARK LAND und nicht um etwa ‚John Sinclair‘ handelt, wenngleich man vor allem meinen Stil natürlich wohl sofort erkennt. Mal schauen, wie sich Geschichte und damit Cover weiterentwickeln. Es macht jedenfalls großen Spaß.
Ich glaube, das sieht man! Jedes deiner Cover entlockt mir ein großes „Wow“! Gab es Vorgaben seitens des Verlages, an die du dich hast halten müssen? Hast du zuvor Entwürfe vorgelegt, oder hast du den richtigen Ton gleich mit dem ersten Coverentwurf getroffen?
Meine Art von Bildern war ja nun seit einigen Jahren bekannt bei Autoren und Verlag, sodass die wussten, was sie in etwa bekommen würden. Ich skizziere die Coverideen grob, genieße aber große Freiheit, die mich immer wieder verwundert, haha! Manchmal gibt es seitens des Autoren auch sehr grobe Infos zu etwa einer Gestalt, und ich entwerfe diese für das Cover, bevor sie dann im Heft genau so beschrieben wird.
An welchem DARK-LAND-Titelbild malst Du zurzeit?
Ich hab heute per Email die Infos zu Heft 19 bekommen.
Was ist dein liebstes DARK-LAND-Cover bisher?
Schwer zu sagen. Meist immer das, an dem ich gerade male. Das Doppelcover 15/16 oder meine aktuell vor wenigen Tagen gemalten 17 und 18 mag ich sehr, wenn ich das selbst mal so sagen darf. Die Abwechslung macht’s.
Welches war am schwierigsten umzusetzen? Für welches hast du die meiste Zeit gebraucht?
Natürlich gehen die Titelbilder am schnellsten, auf denen wenige Personen drauf sind. Mehrere Figuren und viel Umgebung dauern länger, klar. Die Balance aus sehr simplen und sehr vollgestopften Covern machen wie gesagt den Reiz für mich aus, eine ganze Serie zu bepinseln.
Auf dem JOHN-SINCLAIR-CON hast du eine ganz lustige Geschichte erzählt, wie deine ersten Titelbilder für JS angekauft wurden …
Dafür, dass meine Bilder überhaupt ‚John Sinclair‘-Cover zieren, ist die Bahn verantwortlich. Ich stand am Hamburger Hauptbahnhof und wartete auf den Zug, in dem Niki Kopp, ein Autor, mit dem ich oft arbeitete, saß. Der Zug hatte Verspätung, und was macht man, wenn man an einem Bahnhof plötzlich Zeit hat? Man geht in die Presse. Dort schlenderte ich umher und sah eben die ‚Sinclair‘-Romane mit den entsprechenden Covern. Ich dachte: ‚Ja, das kann ich auch‘ und schickte am nächsten Tag einen eben erschienenen Bildband meiner Gemälde, die thematisch zu ‚John Sinclair‘ passten, an den Verlag. Bereits wenige Tage später bekam ich Antwort, meine Bilder gefielen wohl sehr, und zu meiner Überraschung wurde der besagte Bildband als Bestellkatalog verwendet. Unzählige Bilder, deren Rechte nicht-exklusiv zu haben waren, wurden so für Romancover lizensiert.
Das muss etwa 2002 gewesen sein.
So entstand ein sehr angenehmes und nun schon recht langes Arbeit- und Freundschaftsverhältnis. Als sich dann auch noch irgendwann herausstellte, wie schnell ich arbeite, häuften sich die konkreten (und oft spontanen) Bestellungen, ein Motiv für eine bestimmte Folge zu malen. Oder ich durfte eben auch ganze Serien gestalten.
Bist du auf ein spezielles Genre fokussiert? Wenn man Timo Wuerz googelt, sieht man in erster Linie Gemälde, die ich dem Genre Horror/Fantasy zuordnen würde, darunter viele halbnackte Frauen, aber auch Tiergemälde. Was hat es gerade mit Letzterem auf sich?
Die Natur war schon immer mein wichtigster Lehrmeister und wird’s auch immer sein.
Die ersten Zeichnungen, die ich mit knapp zwei Jahren machte, zeigten Tiere. Ich kannte bald fast jede noch so kuriose bekannte Tierart der Erde mit Namen und Aussehen. Die Faszination und Liebe dafür ist seitdem eher noch gewachsen. So füllten Tierzeichnungen und -gemälde seit jeher meine freie Zeit. Immer wenn genügend Bilder beisammen sind, mach ich eine Ausstellung oder einen Bildband damit. Zudem bin ich zunehmend an Projekten um Nachhaltigkeit, Natur- und Artenschutz maßgeblich beteiligt, einem Anliegen, das mir seit Jahren persönlich sehr am Herzen liegt. Quasi Aktivismus in Farbe. Eines meiner Projekte wurde auch von der UNESCO ausgezeichnet.
Bist du immer noch so viel unterwegs? Welche Projekte sind das, für die du zum Teil auch weltweit tätig bist?
Meistens sitze ich in der Tat brav an meinem Schreibtisch und arbeite. Zumindest häufiger als viele gemeinhin denken. In Los Angeles oder Las Vegas bin ich naturgemäß oft, da ich viel an der Entwicklung von Filmen und Shows mitarbeiten darf. Oder ich treffe mich mit den dort ansässigen Bands, deren Cover ich malen darf: Steel Prophet, Edge Of Paradise, Byron Nemeth und einige andere. Ansonsten liebe ich es eh zu reisen. Vermutlich ist das die sinnvollste Beschäftigung, der man nachgehen kann. Ein paar Mal reiste ich schon um den Erdball, zumal Bücher von mir in China, Südkorea, Russland und vielen anderen Ländern erschienen. Und natürlich setze ich mich liebend gerne in die Serengeti und warte, welche Tiere vorbeikommen. Die finden dann den Weg in meine Tierbildbände. Oder ich reise mal spontan zu Konzerten, wie etwa im April 2016 für drei Tage nach Las Vegas, um das erste Reunion-Konzert von Guns n' Roses zu sehen. Es findet sich immer ein Grund zu reisen.
Arbeitest du immer noch weitgehend Old School mit Pinsel und Leinwand, oder hat sich deine Arbeit in den letzten Jahren verändert?
Mitte der 90er hatte ich bereits mit weitreichender digitaler Bildbearbeitung angefangen. Beim Carlsen Verlag war meine damalige Comicserie ‚XCT‘ (soeben innerhalb meiner Werkausgabe bei Popcom neu aufgelegt) die erste, deren Seiten als Dateien auf CD-Rom angeliefert wurden. Es musste sogar eine neue Druckerei gefunden werden, die mit dieser damals modernen Technik umgehen konnte. Der Computer war einfach ein neues spannendes Werkzeug. Grundsätzlich bin ich aber traditioneller Maler, liebe es, mit Farbe zu schmieren und bin dahin wieder zurückgekehrt. Zu den DARK-LAND-Covern gibt es daher Originalgemälde, die gescannt und gegebenenfalls noch minimal digital bearbeitet werden, für Lichteffekte oder so.
Du hast es angesprochen: Im letzten und in diesem Jahr sind wieder verstärkt Comics von dir herausgekommen. Zum Teil Nachdrucke aus den neunziger Jahren (Lula & Yankee, Aaron & Baruch), aber auch brandneue. So ist dein Comic ‚Ghost Realm’ sicherlich auch für DARK-LAND-Leser interessant. Kannst du darüber was erzählen?
Ich hatte vor einigen Jahren schon einmal Robert Franke bei einem Film unterstützt, und als er auf mich mit ‚Ghost Realm’ zukam, weil die Story perfekt zu meinem Stil passe, machte ich einige Concept Designs. Er suchte dann einen Zeichner für die Comicversion, weil die zuerst einmal schneller und günstiger umzusetzen ist als ein viele Millionen Euro teurer Film. Ich stellte klar, dass ich dafür nicht infrage käme und er sich nach einem anderen Zeichner umsehen müsse. Die Suche nach einem geeigneten blieb erst einmal erfolglos, und zunehmend gefiel mir die Vorstellung nicht, dass jemand anderes ‚Ghost Realm‘ umsetzt, wo ich doch schon das Grunddesign gemacht hatte und das Konzept echt toll fand, mit vielen visuellen Möglichkeiten. Sehr zu Roberts Überraschung sagte ich ihm dann, er solle die Suche einstellen, ich mach’s selbst, wenn ich alle Freiheiten in der Umsetzung habe. Er war hoch erfreut und so begann es …
Es ist eine sehr coole, straighte und temporeiche Geschichte, in der die Hauptfigur Sam Hain seiner Angebeteten in eine wundersame Zwischenwelt folgt, voll mit sehr seltsamen Charakteren und durchzogen von Voodoo. Der Sidekick Papaya, eine Voodoopuppe, hat schon viele Freunde gefunden; „Oh, ist der süß!“ Die Story ist quasi eine neue Variante von Orpheus und Eurydike, hat Genreanleihen, ist aber originell genug, um leicht bei Laune zu halten. Die bildliche Umsetzung ist wie gewohnt bei mir sehr malerisch, rasant und voll mit ‚visuellen Rammattacken‘, wie es mein Verleger beim ersten anschauen nannte, haha! Auf jeden Fall begeisterte mich die ‚Ghost Realm‘-Geschichte so sehr, nach 15 Jahren wieder einen Comic zu malen.
Jüngst erschien im Rahmen einer Wiederveröffentlichung der Gothic-Band ASP ebenfalls ein sehr schöner Comic von dir, der einen der Songs visualisiert. Arbeitest du gern mit ASP und anderen Rockbands zusammen?
Als Musikfan liebe ich es natürlich, der Musik, die ich mag, durch die Cover ein Gesicht zu geben. Schallplattencover prägten mich in meiner Kindheit sehr. So freut es mich natürlich, dass nun wieder so viele Alben auf Vinyl erscheinen, in einem Format, das Artworks angemessen ist. Zudem finde Bands sehr einfach im Umgang, wenn es um die Covergestaltung geht. Bei vielen bin ich Serientäter und darf mit meinen Bildern den Look der Bands über viele Jahre mitgestalten. ASP hat selbst da noch eine Sonderstellung: er ist einer meiner engsten Freunde, ich wuchs mit ihm zusammen auf, und unser jeweiliger Perfektionismus und unsere übertriebene Ambition ergänzen sich gut, sodass ‚mal spontan‘ das 48-Seiten-Buch innerhalb der ‚GeistErfahrer‘-Platte entstehen konnte.
Und welche Musik hörst du privat am liebsten?
Außer dass ich großer Opern- und Liedfan bin, passt mein Musikgeschmack schon zu meinem Äußeren, will sagen laute Gitarrenmusik. Auf dem ersten Mixtape, das ich im zarten Alter von zehn von meinem älteren Cousin bekam, waren Iron Maiden, Black Flag und Dead Kennedys. Da war’s um mich geschehen. Kurz darauf bog ich zu Slayer, Possessed oder Voivod ab. Auf Hardcore-, Metal- oder Punkkonzerten findet man mich immer noch oft, wenngleich nach einem Kreuzbandriss nicht mehr immer in der Pit.
Oh, da überschneidet sich unser Musikgeschmack in vielen Bands! Iron Maiden habe ich erst letztes Jahr nach vielen Jahren „wiederentdeckt“, und als du auf der SINCLAIR-CONVENTION erzähltest, dass du gerne mal Eddie malen würdest, kam mir spontan die Idee für DIE BESTIE in DARK LAND 9. Großartiges Cover, übrigens!
Welche weiteren Projekte sind für die nahe Zukunft noch von Dir geplant?
Neben Covern für Alben und Bücher beschäftigt mich gerade noch die Werkausgabe. Da erscheinen dieses Jahr neben erweiterten Neuauflagen der Comics ‚Lula + Yankee‘ und ‚Black Metal‘ noch zwei Bildbände: Im Sommer eine fette Sammlung meiner Metal-Plattencover und Ende des Jahres ein weiterer Bildband mit meinen Tiergemälden. Ansonsten eben Film- und Showdesign, die Gestaltung von Luxusautos und die Planung von mindestens drei Ausstellungen. Alles Dinge, die mir sehr viel Spaß machen. Mal schauen, was dieses Jahr noch so alles auf mich zukommt.
Und was wäre dein Traumprojekt?
Ich durfte recht früh bereits für fast alle Projekte oder Firmen arbeiten, die mich prägten, sodass ich schon viele obligatorische Kerben in meinen imaginären Colt ritzen konnte: Disney, Marvel, DC Comics, Lucasfilm, McLaren, Porsche, Lamborghini etc. Außer dass ein Iron Maiden-Cover noch ein Traum wäre, habe ich nichts zu beanstanden. Ich habe bereits vor Jahren aufgehört, zu meinem eigenen Ruhm oder zur Vervollkommnung meiner Kundenliste zu malen. Ich male für Projekte, Leute und Ideen, die ich unterstütze. Ihnen widme ich meine Arbeit. Nur Dinge, auf die ich Lust habe. Ich arbeite zwar meistens für Geld, aber nie WEGEN des Geldes.
Timo, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast! Und ich freue mich jetzt schon auf viele weitere DARK-LAND-Cover von dir!